Rauschen


Schrottophonie
ecke.gif
termine_off.gif
schrottophon_off.gif
chachel_off.gif
education_off.gif
workshop_off.gif
kontakt_off.gif
 


Wir haben was auf
der Pfanne

Gummitwist und
Lebertran

Heimatklänge

In Planung:
Hausmusik


Heimatklänge und andere Geräusche

Musikethnologisches Projekt in der sechsten Klasse am Reinoldus- und Schillergymnasium in Dortmund-Dorstfeld

Lehrkräfte: die Musiklehrerin Margarete Bastian und die Musiker Richard Ortmann und Guido Schlösser

Dokumentation von Guido Schlösser

Einleitung

Die Klasse

Das Projektteam

Die Methode

Geographie und Geschichte

Das Übersee-Museum in Amsterdam

Komplexität

Musik und Mythos: Die Indianer Nordamerikas

Auch Fernsehen bildet: Die Lieder des Propheten

Béla Bártok: Sammlung und Transformation

Stille Nacht, heilige Nacht: Verfremdungseffekte zu Weihnachten

Probieren geht über Studieren: Extraktion und Aufführung

Charakteristische Merkmale I: Die Son Clave

Charakteristische Merkmale II: Der Tango

Charakteristische Merkmale III: Das Gamelan-Orchester

Heimatkult I: Das Saz-Duo

Heimatkult II: 99 Luftballons

Die Collage

Resümee

Einleitung

Die Verschiedenheit der kulturellen Hintergründe fordert von den Bewohnern unserer Städte ein hohes Maß an kultureller Toleranz. Die Lebensqualität jedes einzelnen kann gesteigert werden durch die neugierige Begegnung mit fremden Kulturen, kann aber auch erheblich gemindert werden durch das Gefühl der kulturellen Isolation. Aufgabe der Schule ist es daher, Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Herkunft eine kulturelle Integration zu ermöglichen, ohne von ihnen eine Verleugnung ihres persönlichen kulturellen Hintergrunds zu verlangen.
Musik als Ausdrucksmittel ist Bestandteil aller menschlichen Gesellschaften. So unterschiedlich wie die jeweiligen Erfordernisse des Ausdrucks sind die musikalischen Mittel, die zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten und in verschiedenen Situationen Verwendung fanden und finden. Die Musikethnologie, die ihre Geschichte unter dem weniger ideologischen Titel „vergleichendende Musikwissenschaft“ begonnen hat, beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Ausprägungen der Musik in Bezug auf ihren jeweiligen kulturellen Hintergrund.
Die Beschäftigung mit Musik einer fremden Kultur ermöglicht einen spontanen Zugang zu dieser. Musikalische Äußerungen mögen wohl äußerst befremdlich erscheinen, sind aber in den allermeisten Fällen nicht gänzlich unverständlich. Über den musikalischen Zugang eine Auseinandersetzung mit einer fremden Kultur zu ermöglichen, war Ziel des Projekts „Heimatklänge und andere Geräusche“, das sich über das gesamte Schuljahr 2002/03 erstreckte.

Die Klasse

Die Klasse 6a des Reinoldus- und Schillergymnasiums in Dortmund-Dorstfeld zeichnete sich durch eine für eine Gymnasialklasse außergewöhnliche Vielfalt aus. Neben der deutschen Mehrheit fanden sich Kinder aus bzw. mit Eltern aus Ost- und Südosteuropa, der Türkei, dem Iran und China.

Das Projektteam

Das Projektteam bestand aus der Musiklehrerin Margarete Bastian und den Dortmunder Komponisten Richard Ortmann und Guido Schlösser. Nach „Wir haben was auf der Pfanne - wir erfinden eine Schrottophonie“ (2000/01) und „Gummitwist und Lebertran - ein Gesamtkunstwerk aus Texten, Fotos und Schrottophonien über Kindheit im Ruhrgebiet der 50er und 60er Jahre“ (2001/02) ist „Heimatklänge und andere Geräusche“ das dritte Projekt in einer sechsten Klasse am Reinoldus- und Schillergymnasium.

Die Methode

„Heimatklänge und andere Geräusche“ verbindet den musikwissenschaftlichen mit dem produktionsdidaktischen Ansatz. Die vorgefundenen Tondokumente werden in Bezug gesetzt zu den Gesellschaften, in denen sie entstanden sind, und anschließend auf Elemente überprüft, die als charakteristisch für die jeweilige Musikform aus dem Zusammenhang gelöst werden können und von den Schülerinnen und Schülern zur Aufführung gebracht werden. Zusätzlich wird den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben, ihre persönlichen musikalischen Erfahrungen zu nutzen. Die so entstandenen kurzen Aufführungen werden mit Aufnahmen aus fremden Musikkulturen zu einer Collage verarbeitet und als CD veröffentlicht.
Zur Verwendung kommen traditionelle Musikinstrumente, die bereits nach kurzer Einführung gespielt werden können (Xylophon, Metallophon, Akkordeon und Klavier), das Schrottophon, ein nach musikalischen Gesichtspunkten zusammengestelltes Instrumentarium aus ausrangierten Gegenständen aus Haushalt und Industrie, und bereits von den Schülerinnen und Schülern erlernte Instrumente sowie die Stimme.

Geographie und Geschichte

Da sich der Geschichtsunterricht der Projektklasse ausschließlich mit frühen und antiken Hochkulturen beschäftigte, war an eine fachübergreifende Kooperation nicht zu denken.
Zu Beginn des Projektes hängten wir eine politische Weltkarte an die Rückwand des Musikraums und führten als grundlegende Nachschlagewerke den Fischer Weltalmanach und den dtv-Atlas zur Weltgeschichte ein, letzteren mit dem Hinweis auf seine eurozentrische Weltsicht. Diese Hilfsmittel ermöglichten im Projektverlauf kurze Einführungen in Geographie, Geschichte und Wirtschaft der behandelten Regionen, beispielsweise eine kurze Einführung in den Kolonialismus am Beispiel Neukaledoniens.

Das Übersee-Museum in Amsterdam

Einen sehr guten Einblick in die Kolonialgeschichte und in die Gegenwart der noch existierenden niederländischen Kolonien bietet das Übersee-Museum in Amsterdam, das auch über eine Musikinstrumentensammlung verfügt, darunter ein komplettes Gamelan-Orchester. Dieses Museum war Ziel eines Klassenausflugs.

Komplexität

Ziel des Projekts war es nicht, den Schülerinnen und Schülern eine Übersicht über die Musik der Welt zu geben, sondern ihnen anhand einiger Beispiele Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit fremden Musikkulturen zu eröffnen. Bereits in der Projektvorstellungsstunde vor den Sommerferien wurde die Komplexität moderner Gesellschaften thematisiert durch die Gegenüberstellung nordindischer Klassik und zeitgenössischer Bollywood-Filmschlager. Weder diese noch Aufnahmen mit traditioneller Musik aus Afrika erschienen den Schülern dabei am sonderbarsten, sondern die Gesangstechnik des Knappenchores der Zeche Consolidation in Gelsenkirchen.

Musik und Mythos: Die Indianer Nordamerikas

Musik ist oft wesentlicher Bestandteil religiöser Riten und dementsprechend mit mythologischen Vorstellungen verbunden. In einer Unterrichtssequenz behandelte Margarete Bastian den Ursprungsmythos der Irokesen und die Musik des Komponisten Kyle Gann, die auf den additiven rhythmischen Strukturen der rituellen Musik der Native Americans basiert.

Auch Fernsehen bildet: Die Lieder des Propheten

Gezeigt wurde das Feature „Die Lieder des Propheten“ von Mahmoud Ben Mahmoud, eine Einführung in die Musik des Islam, die von arte ausgestrahlt worden war.

Béla Bártok: Sammlung und Transformation

Béla Bártok war der Komponist in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, der eine umfangreiche Tonband- und Notensammlung mit Musik Südosteuropas anlegte. Diese Materialsammlung prägte sein folgendes kompositorisches Schaffen. Auch hierzu eine Unterrichtssequenz.

Stille Nacht, heilige Nacht: Verfremdungseffekte zu Weihnachten

In der Stunde vor Weihnachten stellte Guido Schlösser die Technik der Tonbandcollage und seine 1999 aus dreizehn verschiedenen Aufnahmen von „Stille Nacht, heilige Nacht“ montierte Komposition vor.

Probieren geht über Studieren: Extraktion und Aufführung

Die höchste Konzentration bei der Beschäftigung mit Musik erreicht man beim Musizieren, über dessen Förderlichkeit für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen, insbesondere wenn es in Gemeinschaft erfolgt, an dieser Stelle nichts wiederholt werden soll.
Die Verbindung des musikanalytischen Ansatzes mit dem produktionsdidaktischen erfolgt über den Prozeß der Extraktion. Charakteristische Merkmale werden aus der exotischen Vorlage extrahiert und in eine Komposition bzw. Improvisationsanleitung derart überführt, daß sie als grundlegendes Wesensmerkmal fungieren. So entsteht ein neues, eigentümliches Kunstwerk.

Charakteristische Merkmale I: Die Son Clave

Die rhythmische Struktur der afrokubanischen Musik ist geprägt vom Phänomen der Clave. An der zweitaktigen Son Clave oder deren naher Verwandter, der ebenfalls zweitaktigen Rumba Clave, die in früheren Stilistiken mit gleichnamigen Holzstäben tatsächlich gespielt wurden, orientieren sich ausnahmslos alle gespielten rhythmischen Figuren. Die Clave läßt sich also zu afrokubanischer Musik mitklatschen, kann aber auch auf dem Schrottophon gespielt und mit typischen anderen Figuren ergänzt werden.

Charakteristische Merkmale II: Der Tango

Der Tango ist das klassische Beispiel für das Verfahren der Extraktion. Von Matyás Seiber bis Frank Zappa haben Komponisten den Schmachtgesang abstrahiert und nur das übriggelassen, was sie für wesentlich hielten. Für uns bot der Tango die Gelegenheit, einige Schüler die beliebten Instrumente Klavier und Akkordeon erkunden zu lassen.

Charakteristische Merkmale III: Das Gamelan-Orchester

Die Klangcharakteristik einer authentischen Gamelan-Aufnahme aus Bali inspirierte Richard Ortmann zu einer speziellen Anordnung seiner Emailtöpfe, die Guido Schlösser um den pentatonischen Teil des Metallophons ergänzte. Nach wiederholtem Anhören der Aufnahme erging die Spielanweisung an das fünfköpfige Orchester, daß jedes Mitglied aufhört zu improvisieren, wenn das drittnächste beginnt, sodaß sich verschiedene Orchesterklangfarben schrittweise verändern.

Heimatkult I: Das Saz-Duo

Ein Mädchen und ein Junge haben im türkischen Kulturverein das Spiel der Langhalslaute erlernt und bieten ein Duett dar.

Heimatkult II: 99 Luftballons

Ein Mädchenchor textet den bekannten Hit derart um, daß er die Intention unseres Projekts poetisch auf den Punkt bringt.

Die Collage

Alle Aufführungen werden von den Schülern mit einem DAT-Gerät mitgeschnitten. Unter Hinzufügung einiger verbindender Elemente, die er den exotischen Tondokumenten entnommen hat, erstellt Richard Ortmann eine achtzehnminütige Collage. Die Covergestaltung übernimmt ein Oberstufenschüler.

Resümee

„Heimatklänge und andere Geräusche“ gestaltete sich als ein Prozeß, der allen Beteiligten neue künstlerische Erfahrungen ermöglichte. Nicht nur die Schülerinnen und Schüler lernten sich fremder Musik zu nähern, auch die künstlerischen Leiter erweiterten ihren Horizont und ihre musikalischen Möglichkeiten.


Kessel

© 2002 -04 TUAREG design+communication info@tuareg.de 09.02.2004