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Das Außergewöhnliche Septett
BAZAR BIZARRE - das ist nicht nur der Name, sondern erklärtermaßen das Programm des Septetts um den Dortmunder Komponisten und Pianisten Raimund Fleiter. Mit ihren eigensinnigen Kompositionen, mit ihrer atypischen Besetzung und mit ihrem spielerischen Beharren auf künstlerischen Grenzüberschreitungen gilt die Gruppe als außergewöhnlich in der Landschaft des zeitgenössischen Jazz.

Aus Anlaß der Dortmunder "Lyriknacht 1989" von Raimund Fleiter erstmals zusammengestellt, sollte sich nicht nur die Auseinandersetzung von BAZAR BIZARRE mit literarischen Kunstformen als dauerhaft erweisen. "Tempus fugit" - der Titel der damaligen Auftragskomposition - formulierte kontrapunktisch den ästhetischen Anspruch des Septetts: Als kontinuierliche "working group", deren persönliches Zusammenspiel in unterschiedlichen individuellen Kombinationen bis in die 70er Jahre zurückreicht, widersetzt sich BAZAR BIZARRE seitdem konsequent dem postmodernen Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit. Im kritischen Aufspüren der Lücken, Brüche und Brücken zwischen traditionellen und zeitgenössischen Klangwelten verfolgen die sieben Instrumentalisten ihre unbeirrte Suche nach neuen musikalischen Wahrnehmungs- und Ausdrucksmöglichkeiten, die der Komplexität sinnlicher Erfahrung und Kommunikation die Wertschätzung zollen, die ihr gebührt. Indem BAZAR BIZARRE so die ephemeren musikalischen Moden unterläuft, die - im beliebigen Zitat - das Alte als das Neue verkaufen und damit dem erinnerungslosen Vergessen preisgeben, entzieht sich die Gruppe jeder flüchtigen stilistischen Zuschreibung. BAZAR BIZARRE - das ist eine eigenständige, unverwechselbare Stimme im Spannungsfeld von ambitioniertem Jazz, moderner Klassik und Neuer Musik.

Der Anspruch von BAZAR BIZARRE, andere ästhetische Formen in die musikalische Arbeit zu integrieren, realisierte sich zunächst in einer dezidierten Beschäftigung mit dem Wort. So wurden beispielsweise 1991 im Live-Programm "short stories" - neben der Einbeziehung von Hörspielelementen, A-cappella-Sprechstücken sowie auch der bildenden Kunst - die ersten Ergebnisse der noch immer andauernden künstlerischen Zusammenarbeit mit dem befreundeten französischen Lyriker und Romancier FranÁois David vor einem begeisterten Publikum uraufgeführt: Textvertonungen zwischen chansonhaften Songs und äußerst freien, formsprengenden Voicings.

Seit dem Kompositionsauftrag für die fünfteilige WDR-Hörspielproduktion "Harry Krachkowskis seltsame Ahnungen von Tuten und Blasen" (1992) akzentuiert BAZAR BIZARRE das Wechselspiel von konventionellen und technischen Tonträgern, von Instrumentalmusik und musique concrète.

BAZAR BIZARRE-Mitglied Richard Ortmann sammelt und archiviert seit Jahren die verstreuten akustischen Quellen seines Lebensumfeldes, die vergehenden und neu entstehenden Geräusche der Arbeits- und Alltagswelt des Ruhrgebiets. Aus und mit diesem Material komponiert BAZAR BIZARRE "Geräusche-Musik", die im intensiven Dialog zwischen vorproduzierten Tonbändern und den kunstfertig ge- und bespielten Instrumenten subtil den akustischen Veränderungen in der Industriekultur des Ruhrgebiets nachspürt. BAZAR BIZARRE war 1993 mit diesem Programm Preisträger des Wettbewerbs "Musik kreativ" in Frankfurt/M.. 1994 erhielten Richard Ortmann und Raimund Fleiter für die Reihe "Metropolis" des WDR-"Studio akustische Kunst" einen Kompositionsauftrag zum Thema -klangliche Lautspähren des Ruhrgebiets- und damit eine eigene Sendung.

Die im Herbst 1994 erscheinende CD von BAZAR BIZARRE dokumentiert überzeugend die bisherige künstlerische Entwicklung der Gruppe. Da wechseln lyrisch-melancholische Töne mit explosiven Funk-Motiven, münden instrumentale Chansons und expressive Jazz-Themen in machtvolle Klangfarben. Durch die Integration von Hörspielelementen und musique concrète von Richard Ortmann in die Kompositionen Raimund Fleiters gelingt BAZAR BIZARRE eine spannende Reise durch alle möglichen und unmöglichen musikalischen Räume. Vom orientalischen Bazar und nostalgischen Trödelladen durch die ohrenbetäubenden Stätten industrieller Produktion bis in den unkontrolliert wuchernden Herzschlag der Metropolen - BAZAR BIZARRE unternimmt eine akustische Ortsbestimmung der Gegenwart, deren Erfindungsreichtum keine Grenzen kennt. Ein Programm der Überraschungen und des Un-Erhörten, das bei den Live-Auftritten der Gruppe noch eine zusätzliche Dimension gewinnt. Die Bühneninstallationen des befreundeten Malers Mathias Schubert eröffnen den Musik- und Klangexpeditionen von BAZAR BIZARRE einen optischen Raum, in dem sich das virtuose Spiel und die lustbetonten Improvisationen des Septetts zu einer unzeitgemäßen Perspektive bündeln: BAZAR BIZARRE - das ist die Tugend des Beharrens auf der Komplexität sinnlicher Wahrnehmung, wenn mensch mehr und anderes erfahren will, als sie und er immer schon wußten.

Raimund Fleiter
Komposition, Klavier
Richard Ortmann
Alt- und Tenor-Saxophone
Ralf Bazzanella
Sopran-Saxophon
Christian Bongert
Cello
Matthias Dornhege
Tuba
Hardi Barnewold
Schlagwerk
Carsten Eckstaedt
Akkordeon


Die CD ist für 15,00 EUR käuflich zu erwerben.


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